Stillleben haben in der Kunstgeschichte eine lange Tradition. Auf Leinwand festgehalten sollen die Objekte den Blick des Betrachters auf Objekte lenken, die eine besondere Aufmerksamkeit in den Augen des Künstlers verdienen. In der Blütezeit des 17. Jahrhunderts wurde der Blick auf Opulenz gelenkt: Obst, Meeresfrüchte und Schmuck kulminieren in einer Ode an die Sinne. Die Werke sind zutiefst dekorativ und schaffen eine weitere Inhaltsebene, denn Stillleben preisen nicht nur die Schönheit, sondern tragen immer auch eine Art verschlüsselter Botschaft in sich. Es sind kostbare Erinnerungen, dass all der Prunk und die Schönheit vergänglich sind, memento mori, alles Leben ist vergänglich. Eine Meditation auf das Leben und den Tod.
Die Werke von Michael Lauterjung reihen sich auf den ersten Blick in diese Tradition ein. Er zeigt sein künstlerisches Handwerk, das er in Stuttgart bei Prof. Rudolf Haegele und beim Studium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien bei Prof. Maria Lassnig erlernt hat. Dabei arbeitet er in seinen ausgearbeiteten Objekten mit einer perfekten Täuschung der Wahrnehmung, dem Trompe-l’oeil, alles von Künstlerhand geschaffene erscheint als perfekte Abbildung der Realität. Oder etwa doch nicht? Gleitet der Blick über das Zentrum, wo sich das eigentliche Stillleben befindet, so ist das weitere Umfeld ohne Kontext und Raum. Die figurative Malerei schwebt in einem abstrakten Malraum, zwei dissonante Schichten werden in der Bildkomposition zusammengebracht und sorgen für den unverwechselbaren Eindruck von Lauterjungs Werken.
Zum Teil wirken die Objekte plastisch und grenzen sich klar von dem Hintergrund ab. Malerisch wird dies durch unterschiedliche haptische Maleindrücke erreicht, Lauterjung setzt dabei Lacke oder andere Farben ein. Das Schichten von Figuration und Abstraktion sorgt für einen Irritationsmoment – eine Spannung im Bildaufbau – der für eine zeitgemäße Interpretation des traditionsreichen Sujets des Stilllebens sorgt. In der Tradition waren die Objekte des Stilllebens immer in der Zeit zu verorten, Dinge die Seltenheitscharakter hatten wurden festgehalten, Lauterjung verweigert sich dieser Linie und malt verschiedene Objekte, die nur zum Teil im Zeitgeist anzusiedeln sind, zum Teil aber seine zeitlose künstlerische Interpretation von Kostbarkeit ist. Die Abstraktion des Hintergrundes unterstreicht diese Loslösung von Zeit und Raum und lässt das Stillleben im 21. Jahrhundert ankommen. Der Künstler verfolgt das Ziel Ikonen zu schaffen: Zeitlose, kontemplative Objekte, die Verstand und Emotion auf einer Fläche miteinander verbinden, um der Hektik des Alltags und des Überflusses entgegenzuwirken.
Grosse Brombeere, 2016
122 x 122 cm
Acryl, Lack, Öl auf Holz
Ganze Zitrone, 2017
51 x 48 cm
Acryl, Lack, Öl, Leinwand auf Holz
Ein Lächeln, 2017
51 x 48 cm
Acryl, Lack, Öl, Leinwand auf Holz