Albert Scopin

Albert Scopin hat sich in seiner künstlerischen Praxis für ein eher ungewöhnliches Material entschieden: Bitumen. Das Material umgibt uns tagtäglich im Straßenbau, als Dichtungsmasse oder im Bereich der Konstruktion. Es ist kaum aus dem Städtebau wegzudenken und ist unweigerlich mit Zivilisation und dem Fortschritt verbunden. Dem Material liegt neben dieser industriellen Eigenschaft, aber auch eine sehr natürliche inne. Bitumen wird unter Druck aus Erdöl gewonnen, das wiederum aus der Ablagerung von organischen Materialien entstanden ist. Ein Material das von Schichten an Evolution erzählt und Zeugnis über unsere Welt ablegt. Es ist ein ambivalenter Stoff, den wir unweigerlich mit dem industriellen Fortschritt verbinden, aber auch mit den Konsequenzen. Wir alle erinnern uns an Öltankerunfälle, Explosionen von Bohrinseln und die Bilder von Tieren, die von dieser zähen Flüssigkeit umgeben sind.

Es bedarf großer Erfahrung im künstlerischen Prozess, um aus dem Bitumen Werke zu schaffen. Scopin muss die festen Bitumen Brocken auf 200-230°C erhitzen um die geschmolzene dickflüssige Masse formen zu können. Das Material erfordert, dass sich der Künstler auf die Eigenschaften einlässt und tief konzentriert mit der Masse kooperiert. Es entsteht ein Dialog zwischen dem Material und dem Künstler, der den Betrachter im fertigen Werk energetisch einbezieht. Scopin, der als Fotograf, Filmemacher und Zeichner bekannt wurde, begann 2012 mit der Arbeit an den Bitumen Serien. Die Auseinandersetzung mit dem Material begann jedoch weit früher in den 1970 Jahren als er in New York lebte, wo er auch Bekanntschaft mit Patti Smith und Robert Mapplethorpe machte. Dort war er in SoHo viel zu Fuß unterwegs und ihm fielen die aufgerissenen Straßen auf, die immer wieder geflickt wurden und so zu Schichten an Zeit und Material wurden. Diese verschiedenen Schichten wirkten auf ihn wie Strukturen und Bilder unserer Zivilisation. Jahre später sah er Werke von Lae Bay, Holzkohle in Acryl gegossen, und konnte plötzlich seine Puzzlestücke an Erfahrung in einem künstlerischen Material zusammenbringen.

Die tief schwarzen Werke haben eine starke Präsenz. Das Material wird aus einem funktionalen Kontext wie dem Straßenbau genommen und in die Kunst eingeführt. In diesem neuen Kontext steht weniger die Zweckmäßigkeit als Form, Haptik und Ästhetik im Vordergrund. Die Farbe variiert kaum, aber die Oberfläche erscheint mal aufregend porös, mal deckend; wir sehen archaische Formen, die das Material dynamischer werden lassen. Harmonie ist in den Werken von Scopin die Verweigerung von Perfektion – auch in der Natur gibt es keine geraden Linien. Die Werke wirken auf den ersten Blick eher brachial, doch sie sind eine lebendige Auseinandersetzung mit Material und dem Jahrtausende altem Leben in diesem. Der Prozess den das Material durchlebte wird zu einem neuen Prozess in der künstlerischen Komposition. Die Natur erscheint in Form von archaischer Kraft, Energie und Stabilität.